Sinclair
Poppy
Sechzehn Jahre. Und das für immer.
Für viele Menschen, die ihr Verfallsdatum bereits überschritten hatten und den Anblick ihrer runzligen Stirn nicht ertragen konnten, mochte das ein Traum sein. Doch für Poppy Sinclair war der alltägliche Schulwahnsinn die persönliche Hölle. Manchmal glaubte sie wirklich, dass dies Gottes Strafe für ein Monster wie sie war. Dabei war sie nicht, wie die restlichen tragischen Seelen, dessen Herz aufgehört hatte zu schlagen und bis zum Ende verzweifelt das Gift durch ihre Venen gepumpt hatte. Sie hatte tatsächlich ein Leben, welches es wert gewesen wäre, gelebt zu werden. Trotzdem war sie nun genauso untot wie der Rest von Ihnen. Eine Tatsache, die Poppy nicht ändern konnte. Sie lebte immer noch im alten Familienanwesen, auch wenn es jetzt leer und kalt war. Das Leben war mit ihrem Vater vor Jahren verschwunden, und seitdem fühlte sie sich jeden Tag ein Stück weiter von der Menschlichkeit entfernt. Jeden Tag musste sie sich von ihrer Nachbarin anhören, wie ähnlich sie doch ihrer Mutter sah. Portia Elisabeth Sinclair. Ein Name der heute nur noch auf offiziellen Dokumenten auftaucht und einer gesichtslosen Geschichte gehörte. Was ihre Nachbarin jedoch nicht wusste, war, dass Poppy nicht zufällig so aussah wie Portia. Poppy war Portia. Dafür hatten sie und ihr Vater sorgfältig gesorgt, doch jetzt war sie allein.
An der Woldingham School war es kein Geheimnis, dass Poppy sich für etwas Besseres hielt. Würde sie ihre Nase noch höher tragen, sie würde wohl einen steifen Nacken bekommen. ber wie sollte sie sich auch auf die Dramen dieser Teenager einlassen? In Wahrheit war sie über fünfzig Jahre alt und hatte längst keine Geduld mehr für die Belanglosigkeiten der Pubertät. Man könnte meinen, sie würde mehr Zeit mit anderen Vampiren verbringen – schließlich gab es einige in London. Doch Vampire waren eigensinnig und distanziert, und Poppy war dafür der beste Beweis. Verbindungen einzugehen bedeutete, sich dem Risiko zu stellen, dass sie Äonen andauern könnten. Eine Verpflichtung, die Poppy nicht bereit war einzugehen. Nicht, dass Poppy es sich je eingestehen würde, doch ihr nicht schlagendes Herz war fragil. Sie hatte zu viel Angst eine Verbindung einzugehen, die womöglich Äonen andauern würde. Ironischerweise fand sie Trost in den Mauern der Woldingham School, auch wenn sie sie verachtete. Die täglichen Oberflächlichkeiten und Belanglosigkeiten gaben ihrem ewigen Leben eine Art von Struktur, die sie davor bewahrte, in die Leere zu fallen, die viele andere Vampire verschlang.