His eyes lift. They are bloodshot and dead.
“I wish he had let you all die.”
Doch was Mr. Barton an seiner Situation ändern sollte, konnte Icarus nicht sehen. Abseits davon – wenn der Kerl freiwillig an der Camden Grove High arbeitete, schien er ja offensichtlich nicht gut darin zu sein, Entscheidungen zu treffen. Inwiefern sein Rat und seine Schulter zum Ausheulen ihm also helfen sollte, blieb Icarus unerklärlich und das Büro des Sozialarbeiters weiterhin unbesucht. Die besorgten Blicke seiner Lehrerin bemerkte er immer wieder und er wusste von den gescheiterten Versuchen, zuhause anzurufen und jemanden zu erreichen, der für ihn verantwortlich war.
Das fiel in die Hände seines Onkels, der den Tag entweder im Saufkoma verbrachte, sich die Birne wegknallte oder sich darüber aufregte, dass er sich mit seinem nutzlosen Neffen auseinandersetzen musste; was in diesem Falle bedeutete: ihn früh morgens aus dem Trailer jagend eine Flasche Bier hinterher werfen und ihn dafür verfluchen „ihm das hier angetan“ zu haben. Was auch immer er damit meinte. Der Kerl war nicht der klügste, also ließ Icarus ihn meistens labern. Doch manchmal war es nicht nur labern lassen. Manchmal waren es trunkene Fäuste, die auf ihn niederprasselten wie Regen; Tritte, die ihm die Luft aus den Lungen drückte; Finger in seinen Haaren; Zigaretten auf seiner Haut. Icarus schlug zurück, trat zurück, spuckte zurück, ein endloser Teufelskreis.
In der Schule hatte er es nicht besser. Entweder man ließ ihn in Ruhe, weil er ohnehin nicht den Eindruck machte, mit irgendwem sprechen zu wollen, oder man pickte ihn heraus, weil man glaubte, er wäre ein leichtes Opfer. Die Sportler sahen in ihm die perfekte Möglichkeit, ein wenig akademischen Frust auszulassen und Icarus hatte ihnen auch nie etwas entgegen zu setzen – was ihn nicht daran hinderte, die Fresse erst recht aufzureißen und zu provozieren, bis er selbst nicht mehr sprechen konnte.
Schrammen, Macken, Veilchen wurden zu stetigen Begleitern, seit er zu seinem Onkel in den Trailerpark zog. Es katapultierte ihn in eine rasante Abwärtsspirale und dass die Schule niemanden darauf aufmerksam machte, konnte nur daran liegen, dass sich niemand verantwortlich fühlte.
Ich hab ja getan was ich konnte, damit legte seine Lehrerin sich abends sicherlich in ihr gemütliches, warmes Bett zu ihrem perfekten, verständnisvollen Mann, während Icarus die Nacht im Park verbrachte und darauf wartete, dass die Sonne wieder aufging. Aber nein, ihm sollte ja auch keiner helfen. Wollte er ja gar nicht. Denn er war der einzige, der sich helfen konnte – wie gut er mit der Einstellung fuhr, war ja offensichtlich, doch in der jugendlichen Überschätzung für ihn nicht sichtbar. Dass er die schulischen Leistungen halten konnte, grenzte wohl an ein kleines Wunder – doch die Schule war der einzige Ort, in der er seine Ruhe vor seinem Onkel haben konnte und damit wurde sie ziemlich hoch auf seiner Liste der Dinge, die ihn nicht so sehr abfuckten, gesetzt.
Viel wissen seine Klassenkameraden nicht über Icarus. Er redet auch nicht viel, nicht mit anderen und erst recht nicht über sich. Aber es wird schnell deutlich, dass er keiner von dem Typ Mensch ist, der alles und jeden verflucht, weil es ihm selbst schlecht geht. Nicht, dass er großartig aufgeschlossen oder sozial wäre – er würde ohne mit der Wimper zu zucken weitergehen, wenn in der dunklen Ecke hinter der Sporthalle irgendwem sein Pausengeld abgezogen wird – es war viel mehr eine gewisse Resignation im Umgang mit anderen, weil er nicht zulassen könnte, jemanden zu nahe an sich heran zu lassen. Ein Projekt mit zufällig gewürfelten Partnern? Klar, kein Problem. Gehen am Nachmittag dann zu dir. Partnerarbeit im Unterricht? Von ihm hört man kein Stöhnen und kein Gezeter. Man setzt sich in der Cafeteria zu ihm? Vielleicht ein Heben des Blicks, doch mehr nicht. Es gibt dieses eine Mädchen, Martha Wells, die ihm in der Pause ständig die Ohren abkaut, während er einen Platz sucht, um ungestört (und ungesehen) rauchen zu können und sie scheint sich absolut nicht an der Aura aus teenie-angst und schlechter Laune zu stören. Manchmal entlockt sie ihm den Hauch eines Lächelns, doch es erstirbt, bevor sie es bemerken könnte.